Während der ersten heimlichen Spaziergänge ist Bhagya sehr gefällig und lässt sich bereitwillig führen. Er wälzt sich freudig im Riedhaufen, verzichtet aber darauf, dem Aasgeruch im Gestrüpp nachzugehen, den Schafen in Nachbars Garten nachzustellen und Wäsche von der Leine zu rupfen, wenn ich ihn zurückrufe. Vor den immerzu bellenden Hunden hat er Respekt und schlägt einen weiten Bogen um sie. Am Küchenhaus geht er gerne vorbei und schaut nach, ob vielleicht doch schon irgendwer sein Futter holt. "Aom", äussert er sich dann und schaut mich an, was sicher bedeutet, dass er jetzt sein Fleisch haben will. Und in grossen Sätzen eilt er querfeldein nach Hause. Die privat-geführte Cango Wildlife Ranch in Südafrika sucht nach hand-aufgezogenen Leoparden, da es nahezu unmöglich sei die einheimische Art zu bekommen, und ist daher sehr interessiert Bhagya zu erwerben. Zu einem späteren Zeitpunkt möchte der Betrieb auch eine Gefährtin für ihn beschaffen, aber ich zögere auf das Angebot einzugehen und frage Sarel van der Merwe, Kurator des Bloemfontain Zoo, um Rat. Nachdem er schreibt: "Ich kann nicht für eine andere Organisation sprechen - insbesondere deren Ethik", beschliesse ich, dass Bhagya lieber nicht nach Südafrika umziehen soll. |
Mitte Februar sieht den ersten Morgen ohne Nebel mit strahlender Sonne. Doch Bhagya liegt noch im Stroh seiner Höhle unterhalb des Machans. Erst als Gäste ihn besuchen kommen, streckt er sich und gähnt ausgiebig, bevor er anfängt, sein Spielzeug durchs Gehege zu kicken und in zwei Sätzen auf seinen großen Machan zu springen. Die Besucher sind beeindruckt. Eines Morgens entdeckt Andreas im Wassergraben vor Bhagyas Gehege Pfoten-Abdrücke einer großen Katze. Seiner Ansicht nach hatte Bhagya Besuch; er vermutet, dass die Katze dasselbe Weibchen ist, das Bhim, der Nachtwächter, neulich nachts auch schon gehört hat. Wenn er wüsste ... Bhagya schnuppert auf unseren kurzen Ausflügen überall ausgiebig und streift besonders gerne durch den blühenden, stark duftenden Koriander. Außerhalb des Geländes grast ein Büffelchen, das seine Aufmerksamkeit so sehr erregt, dass er es wiederholt beobachten gehen will und zielstrebig an den Rand der Böschung steuert. |
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Als er Hunde bellen hört, springt er auf einen Baum und sucht sie zu orten. Erst als er sich vergewissert hat, dass sie weit weg sind, lässt er sich mit dem bewährten Lockruf "Komm schnell heim, heute gibt's Hühnchen - Hüühnchen!" davon überzeugen, nach Hause zu laufen.
Im Laufe des Monats verliert er seine restlichen Backenzähne und spielt an manchen Tagen so übermütig, dass ich einen Schlitz im Ohr und einen Riss im Finger davontrage. Aber er ist sehr liebevoll, und wenn ich ein paar Tage abwesend war, begrüßt er mich besonders herzlich: er setzt seine Vorderpfoten auf meiner Schulter ab, reibt schnurrend seinen Kopf an meinem und leckt mein Gesicht ab. |
Anfang März möchte Olivier Born, ein Schweizer Fotograf, Bhagya fotografieren - möglichst außerhalb des Geheges. Olivier ist in Begleitung von zwei Freunden, und für Bhagya ist es sehr spannend, mit so viel Gefolgschaft auszugehen. Er inspiziert Oliviers Kamera-Ausrüstung, aber wenn Olivier ihm zu nahe kommt, legt er die Ohren an und faucht. (Einige Monate später erscheint eines von Oliviers Bhagya Portraits in einem Schweizer Magazin.) Am 8. März feiern wir Bhagyas ersten Geburtstag, und natürlich bekommt er auch ein Geschenk. Andreas kommentiert während der Video-Aufnahmen. |
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