Frederick Walter Champion war Förster in den Vereinigten Provinzen in Britisch Indien. Nach seinen Erlebnissen im I. Weltkrieg fand er Jagen und Schlachten abscheulich und war einer der ersten, der für den Schutz von Wildtieren eingetreten ist. Er wendete sich mit großem Interesse der Fotografie zu und entwickelte Kamerafallen mit Blitzlicht, die mithilfe von Stolperdrähten ausgelöst wurden. Seine Fotografien sind die ersten, die von wilden Tigern und Leoparden aufgenommen wurden.Die gezeigten Aufnahmen sind in den 1920-er Jahren entstanden und wurden freundlicherweise von seinem Enkel James Champion zur Verfügung gestellt.Sein Artikel "What is the Use of Leopards?" ist 1934 in seinem zweiten Fotoband "The Jungle in Sunlight and Shadow" erschienen, aus dem Ausschnitte ins Deutsche übertragen hier vorgestellt werden. |
Manche Leute - Jäger zumeist - behaupten, dass der Leopard hauptsächlich zum Zeitvertreib in den Kolonien geschaffen wurde; andere sind der Ansicht, dass solch eine wunderbar schöne Kreatur keine Rechtfertigung für ihre Existenz braucht; eine andere Schule von Denkern hält vehement an der Idee fest, dass der Leopard wie der Tiger ein Anachronismus ist, der bei der erstbesten Gelegenheit ausgerottet werden sollte. Aber Tatsache ist, dass der Leopard eine sehr wichtige Rolle im gesamten System der Fauna in Indien spielt. Hirsche und Wildschweine sind überaus fruchtbare und gefräßige Tiere, die, wenn sie sich unkontrolliert paaren und vermehren könnten, bald so zahlreich würden, dass sie alles Futter fressen würden, das sie in den Wäldern finden. Wenn dieses Futter erschöpft ist, würden sie sich in alle Richtungen ausbreiten und so zu einer ernsthaften Bedrohung für die Versorgung des Menschen und anderer Lebewesen mit Gemüse und Getreide werden. Nein: die Natur weiß es besser und stellt ein Gleichgewicht zwischen den Huftieren und Beutegreifern her, das erstaunlich effizient funktioniert.
In Indien erschießen Jäger immer wieder Karnivoren, und in Anbetracht der herausragenden Effizienz von modernen Waffen und der großartigen Erleichterung, die die Erfindung des Automobils mit sich bringt, ist es erstaunlich, dass sie ihre Anzahl aufrecht erhalten konnten. Infolgedessen sind viele Forstbeamte der Ansicht, dass es höchste Zeit ist, den großen Karnivoren ein gewisses Maß an Schutz zuzugestehen, wenn das normale Gleichgewicht der Natur nicht ernsthaft durcheinander gebracht werden soll. |
Jede Kreatur hat ihren bestimmten Platz im großartigen System der Natur, und auch der Leopard ist trotz seiner zahlreichen Verleumder gerechtfertigt.
Der Leopard ist sicher nicht populärer im indischen Dschungel als der Polizist im indischen Dorf, aber es gibt ihn aus einem ganz bestimmten Grund: wenn den Hirschen, Schweinen und Affen nicht die Grundlage der Geburtenkontrolle beigebracht werden kann, muss es eine Kontrolle über ihre grenzenlose Vermehrung geben, wenn der Dschungel weiterhin alle ernähren soll. Und der Leopard, wie der indische Polizist, hat einige sehr vorzügliche Eigenschaften. Er ist im allgemeinen recht mutig, und seine körperliche Fitness stellt einen herkömmlichen menschlichen Athleten in den Schatten. Er kann mit der größten Leichtigkeit auf Bäume klettern, und auf der Jagd ist er unglaublich geduldig; er kann tagelang ohne Wasser auskommen; und dank seines ungeheuer nützlich gefleckten Fells, mit dem die Natur ihn ausgestattet hat, kann er sich so gut verbergen, dass Jäger, Pfadfinder und Soldaten ihn immerzu beneiden. Außerdem ist die Mutter Leopardin ihren Jungen so sehr ergeben, dass sie für sie bis zum letzten Atemzug kämpft. Und die ganze Rasse der Leoparden würde einen der ersten Plätze in einem Schönheitswettbewerb für Tiere einnehmen. |
Dieser langen Liste von guten Eigenschaften stehen augenscheinlich auch entsprechende Unarten gegenüber, aber es kann behauptet werden, dass diese Liste kürzer ist. Zweifellos sind Leoparden gelegentlich unnötig zerstörerisch, und es sind Fälle bekannt geworden von einem Leoparden, der in einen Ziegenstall eingedrungen ist und alle 30 oder 40 Tiere getötet hat, die darin untergebracht waren. Der Leopard geht auch weniger systematisch im Töten vor als der Tiger, so dass er dabei manchmal mehr Schmerzen als notwendig zufügt; auch wenn hier nicht ausdrücklich gesagt werden muss, dass er nicht absichtlich grausam ist, denn ich bin der festen Überzeugung, dass nur der Mensch das minderwertige Laster der Grausamkeit um der Grausamkeit willen ausübt.
Auch vom Standpunkt des Menschen aus betrachtet hat der Leopard schlechte Eigenschaften. Er mag Hundefleisch besonders gerne, und manche loyalen und vertrauenswürdigen Hunde-Freunde des Menschen haben ihre Karriere im Magen eines umherstreifenden Leoparden beendet. Einige Leoparden entdecken, dass es einfacher ist, die zahlreichen Rinder zu fangen und zu fressen, die so nachlässig in der Umgebung von indischen Dörfern alleine gelassen werden, als die vergleichsweise harte Arbeit, sich an wilde Tiere anzupirschen, die ständig auf der Hut sind. Sie richten sicherlich ziemlich viel Schaden an, auch wenn der Fehler nicht ausnahmslos bei ihnen liegt, sondern oft bei den Eigentümern der Rinder zu suchen ist, die sie in Versuchung führen, indem sie unbekümmert ihre Rinder nachts unbeaufsichtigt an Orten lassen, von denen sie genau wissen, dass das Risiko eines umherstreifenden Leoparden beachtlich ist. Aber vielleicht geht der Hindu ja doch nicht immer so nachlässig mit seinen Rindern um, wie es scheint. Wie jeder Bauer weltweit wäre er nicht glücklich ohne nörgeln zu können, und tatsächlich trifft er 2 Vögel mit einem Stein, wenn er seine alten, verbrauchten und nutzlosen Rinder da lässt, wo sie mit großer Wahrscheinlichkeit Tigern oder Leoparden zum Opfer fallen. Er verschafft sich selbst einen sehr bequemen Grund zur Klage und wird gleichzeitig seine nutzlosen Viecher los, die er seiner Religion gemäß nicht mit eigener Hand töten darf. Es wird sogar geflüstert, dass einige Buddhisten in Burma besonders gerne Fleisch essen, aber keines erhalten können, weil das Töten in der Lehre Buddhas verboten ist. Angenommen eine alte Kuh streunt in den Dschungel, wo ein Leopard lauern könnte. Die Kuh wird eventuell gerissen, und der empörte Eigentümer erreicht den Ort des Geschehens zu spät, um die Kuh retten zu können, aber nicht zu spät, um den Leoparden davon abzuhalten, sich seiner Mahlzeit zu erfreuen. Also gut, die Kuh ist tot, und der Eigentümer hat kein schlechtes Gewissen - er hat ja nicht getötet! Aber warum sollte er zulassen, dass so ein gutes Essen von solch sündhaften Kreaturen wie Leoparden gefressen wird? |
Dann gibt es die schicksalhaften Unfälle, die häufig auftreten, wenn Männer Leoparden aus Vergnügen jagen. Nun, wenige Sportarten liegen dem Sportler, es sei denn sie bedürfen einer besonderen Geschicklichkeit oder bringen ein gewisses Maß an Risiko mit sich; und der gejagte Leopard kann nicht dafür getadelt werden, dass er die ihm bestmögliche Vorführung liefert. Immerhin ist der Jäger mit einem wunderbaren Gewehr bewaffnet, und wenn er es zu handhaben weiss und die nötige Waidmannskunst beherrscht, kann er den Leoparden damit töten, lange bevor der letztere nah genug herankommen kann, um seine Nahkampfwaffen - Zähne und Klauen - einzusetzen, die alles sind, was die Natur ihm gegeben hat. Wenn der Jäger seine enormen Vorteile verpfuscht - na, dann ist das zweifellos sehr traurig, aber der Leopard kämpft in einem ungleichen Wettkampf für sein Leben, und es ist nur fair, dass er gelegentlich den Spieß umdreht und den Mann tötet, der versucht, ihn oft genug nur aus Vergnügen zu töten. |
Möge der Tag weit entfernt sein und das wird zweifellos so sein wenn der Name des Leoparden in die lange Liste der Wildtiere aufgenommen werden muss, die durch die Hand des Menschen ausgerottet wurden. |