Mehmet Ertüzün hat schon als junger Student Zeitungsausschnitte über das Schicksal von Leoparden in seinem Land gesammelt und nie akzeptiert, dass Panthera Pardus Tulliana in Anatolien ausgerottet sein könnte. Später hat er selbst Artikel veröffentlicht und darin die Ansicht vertreten, dass die Jagd auf Leoparden komplett verboten und die Unterart P.p. Tulliana als ausgestorben betrachtet werden müsse.Mehmet und sein Freund Yalçin Ergir haben 2006 die Geschichte des letzten Anatolischen Leoparden dokumentiert. |
In der Jungsteinzeit war Anatolien ein Zentrum fortschrittlicher Kultur, wo Leoparden einen Kult-Status innehatten und kunstvoll in Wandgemälden und Reliefs dargestellt wurden, die im Südosten von Konya in der Ortschaft Çatalhöyük ausgegraben worden sind; sie sind etwa 7500-5700 v. Chr. entstanden. Im Römischen Zeitalter wurden Leoparden und andere Großkatzen in Fallen gefangen und in Arenen und Zirkussen gegen Gladiatoren gehetzt. Heute kann man im Taurus Gebirge immer noch Relikte von speziellen Steinfallen finden. Der römische Politiker und Philosoph Marcus Tullius Cicero war der erste, der im 1. Jahrhundert v. Chr. Informationen über Leoparden in Kleinasien gesammelt hat. Ihm hat der französische Zoologe M. A. Valenciennes den wissenschaftlichen Namen "Felis Tulliana" gewidmet, als er den Anatolischen Leoparden 1856 beschrieben hat. |
Leoparden, als "Anadolu Parsi" bekannt, waren in der gesamten Ägäischen Region der Türkei und im Südosten und Osten von Anatolien beheimatet. Belege vom Beginn des 20. Jahrhunderts legen nahe, dass es Leoparden in der südlichsten Hatay Provinz, entlang der Gebirgsketten des gesamten Taurus und Köroğlu bis hin zu den nordwestlichen Küstengebieten des Schwarzen Meeres gab. Während des 20. Jahrhundert wurden zahlreiche Leoparden in Tigerfallen gefangen und erbarmungslos mit Schrotmunition abgeschossen. Nach dem I. Weltkrieg wurde die Trophäenjagd auf Leoparden ein beliebtes Freizeit-Vergnügen in der Türkei. Im Mai 1937 trat die erste Jagdverordnung in Kraft, in der Leoparden und Tiger als gefährliche Tiere eingestuft und zum Abschuss frei gegeben wurden. |
Foto mit freundlicher Genehmigung von Mehmet Ertüzün | Jäger haben stolz mit ihren Fellen und toten Körpern für Kameras posiert. Hasan Bele machte sich damit einen Namen, dass er 15 Leoparden zwischen 1930 und 1950 erlegt hat. Bekannt als Mantolu Hasan, “Hasan mit dem Mantel”, hat er die Felle seiner Abschüsse wie Pelerinen über seine Schultern drapiert. Sein gnadenloses Töten endete erst, als İsmet İnönü, der damalige Präsident der Türkischen Republik, ihn mit einem neuen Gewehr auszeichnete unter der strikten Bedingung, dass er nie mehr mit einer Waffe auf einen Leoparden zielt. Im Februar 1967 hat Ali Çalayır einen Leoparden in der Nähe von Seben erschossen, einem Dorf im Gebiet von Ankara-Bolu. Im Januar 1969 hat ein Bauer einen Leoparden in der Nähe von Samandağ in der Hatay Provinz vergiftet, nachdem der Leopard seinen Esel gerissen hatte. Die Großkatze hat er mit dem Kadaver des Esels geködert, den er mit Gift beschmiert hatte. 1970 wurde ein Leopard bei Karakale in der Kars Provinz erschossen. In den frühen 1970ern sind nur noch ein paar verstreute Belege von Leoparden übrig: ein Leopard wurde in der Nähe des Dorfes Çatacık of Mihalıççık gesichtet, einer in der Nähe von Eskişehir, beide im Zentrum der Türkei, und ein weiterer in der Nähe des Berges Ararat im Osten Anatoliens. |
Der letzte offizielle Beleg eines Leopard datiert vom 17. Januar 1974. |
Das Dorf Bağözü in Beypazarı, im Nordwesten von Ankara. Am Morgen dieses Tages ging Havva Köksal den Dorfpfad zum Feld hinunter um Gemüse zu ernten. Ihr Mann und ihr Schwiegervater waren schon voraus und unterhalb des Hangs verschwunden. Havva erinnert sich: "Neben dem Pfad kauerte eine Kreatur mit einem ziemlich langen Schwanz. Im selben Moment, als ich sie gesehen und beschlossen hatte rückwärts zu gehen, kam sie wie ein Vogel geflogen und landete auf mir, hielt mich am Arm fest und schüttelte mich. Als ich meine Augen wieder aufmachte, saß sie da wie ein Hund. Dann habe ich das Bewusstsein wieder verloren." Der Leopard hat Havvas Arm mit seinen kräftigen Kiefern gepackt und ihren Körper hin und her geschüttelt. Nachbarn hörten das Geschrei, sind herbeigeeilt und haben den Leoparden verjagt. Aber kurze Zeit später fingen bewaffnete Dorfbewohner an nach der "gefleckten Bestie" zu suchen, von der Havva bemerkt: "Sie war ehrfuchteinflößend und sauber, ich meine so schön, es gab keinerlei Schmutz an ihr. Sie sah lebendig so ganz anders aus." Ahmet Çalışkan, ein erfahrener Jäger, hat den Beypazarı Leopard verwundet und ihn dann mit 8 Kugeln aus seinem Mauser-Gewehr erschossen. Als der Leopard stürzte und geradewegs auf seine Brust fiel, wusste Ahmet immer noch nicht, was in der Welt das für ein geflecktes Tier war. |
Der Kadaver wurde zum Staatlichen Krankenhaus nach Beypazarı gebracht. Die Lautsprecher des Stadtrates kündigten die Ankunft einer seltsamen großen Katze an, und bald kamen neugierige Menschenmengen, um den Leoparden zu sehen und gegen eine Gebühr von 2 Türkischen Lira für Krankenhaushilfe zu berühren. Mit dem eingesammelten Geld hat das Krankenhaus später eine brandneue Röntgen-Ausrüstung gekauft.
Einer der Ärzte des Krankenhauses hat den Leopard zum Eigentum des Krankenhauses erklärt; er hatte es zugunsten seiner Ehefrau auf das Fell abgesehen. Als die Dorfbewohner von Bağözü ein Gezeter anstimmten, drohte der Arzt, jeden wegen Tollwut in Quarantäne zu stecken. Während die erzürnten Dörfler sich auf den Weg machten um die Sache mit Beamten zu klären, wurde der Leopard zum Veterinär-Bakteriologischen Institut nach Ankara für eine Hirnzellen-Untersuchung gebracht, die sich als tollwut-negativ erwies. Schließlich haben die Dorfbewohner von Bağözü 4.000 Türkische Lira von der in Ankara basierten Generaldirektion für Forschung und Förderung von Mineralien (MTA) erhalten. Mit dem Geld haben sie schließlich für den Imam des Dorfes ein Wohnhaus gebaut. Die Haut des Leoparden wurde mit Borax haltbar gemacht, sein Kadaver irgendwo im MTA Gelände für eine spätere Verwendung begraben. Aber später ist die genaue Stelle des Grabs nicht mehr gefunden und ein neues Gebäude auf der Fläche errichtet worden. |
Es war in diesen Jahren nicht leicht, ein Paar Glasaugen zu besorgen, aber der MTA Angestellte Ergun Kaptan hat nicht aufgegeben, bis er von einem Forst-Ingenieur ein Paar Leopardenaugen aus Glas ergattert hat. Eines der Augen ging jedoch verloren, als es unter ein Klosett rollte.
Über viele Jahre hinweg blieb das ausgestopfte Tier in der dunklen Kellergalerie des MTA Naturgeschichtlichen Museums verstaut und wurde erst 2003 an einen angemesseneren Platz im neuen Museumsgebäude gebracht, wo es heute noch ausgestellt wird. |
Foto mit freundlicher Genehmigung von Yalçin Ergir |