Panther-Jagd mit Ranji

Der Engländer C. B. Fry, Großwildjäger und Autor, beschreibt in seiner Erzählung "Panther Shoots with Ranji" einen Jagdausflug mit seinem indischen Freund und Großgrundbesitzer Ranjitsinhji. Die Erzählung wurde 1939 in London veröffentlicht. Hier sei ein Ausschnitt daraus ins Deutsche übertragen.

Im englischen Sprachgebrauch der Kolonialzeit wurden sowohl gefleckte als auch melanistische Leoparden als Panther bezeichnet.

Da saßen wir Stunde um Stunde bis spät nach Mitternacht. Nicht einfach wach zu bleiben und durch die schmalen Fenster des Machans zu lugen. Aber natürlich hat die Ziege angefangen zu blöken, kaum dass sie sich verlassen fand; und sie blökte und blökte mit rhythmischer Monotonie die ganze Nacht hindurch.

Plötzlich berührte Ranji mich am Knie und flüsterte: "Er ist da." Er zeigte zu den Büschen am Rand der Lichtung hinüber und gab mir sein Fernglas. Zuerst konnte ich gar nichts sehen.

Aber dann leuchteten plötzlich ein Paar phosphoreszierende Lichter in der Dunkelheit auf. Die Augen des Panthers. Eine halbe Stunde lang saß er in der Schwärze des Gebüschs, er selbst ebenso schwarz. Dann schloss er die Augen wieder. Ranji machte eine Handbewegung um anzudeuten, dass deren Besitzer in den Büschen um uns herum seine Kreise zog. Der Boden war mit trockenen Blättern und Ästchen bedeckt; und man sollte annehmen, dass auch die Büsche dazu bestimmt sind, ein Knistern und Rascheln zu erzeugen. Aber nicht der geringste Laut war zu hören!
Sogleich erschienen die brilliant grünen Augen an einer anderen Ecke; dann verschwanden sie wieder. Mittlerweile hatte die Ziege aufgehört zu blöken und stand aufrecht. Sie schaute sich immer wieder um und drehte ihre Nase wie die Nadel eines Kompasses in die Richtung ihres kreisenden Feindes. Sehr langsam, aber nicht immer richtig. Plötzlich bewegte sich hinter ihr eine graue Gestalt ins Offene, die aussah wie eine riesige gescheckte Katze auf sehr langen Beinen. Kurz bevor die Gestalt sich aus dem Gebüsch anschlich, war sie tiefschwarz, aber im Moment, als sie ins Mondlicht kam, war sie grau wie der Boden selbst - so grau und bodengleich, dass sie unsichtbar war wenn reglos. Die Ziege sprang herum um sie anzuschauen, als sie dort für ein paar Minuten so still stand wie ein Stein. Dann bewegte sich der Panther wie ein grauer Geist nach vorne und sprang mit wunderbarer Leichtigkeit und Grazie auf den Rand eines Felsbrockens. Da saß er wie eine Katze auf der Türschwelle, mit den Vorderpfoten zwischen den Hinterbeinen, und betrachtete die Ziege. Die Ziege stampfte mit den Beinen und schnaubte.

Ranji hatte einen elektrischen Stift mit einem Licht am Ende wie sie Krankenschwestern benutzen. Er schrieb auf einen kleinen Block: "Das ist eine Dame, aber Du kannst sie erschießen, wenn Du willst."

Ob aus angeborener Ritterlichkeit oder aus Sympathie mit der Ziege - wahrscheinlich aber letzteres - nahm ich den Block und schrieb: " Nein. Lass sie gehen." Ich legte mein Gewehr auf das dafür vorgesehene Kissen nieder, und Ranji klopfte mit den Fingerknöcheln. Ein grauer Blitz, und die Dame war verschwunden.

Dann schrieb Ranji: "Sie oder ihr Alter kommt in 20 Minuten zurück." Also trank ich eine Flasche Mineralwasser und entspannte mich.

Die Dame kam zurück, aber nur um auf halbem Weg zwischen der Ziege und der Lichtung sitzen zu bleiben. Nach einer Weile aber war sie ganz verschwunden, und Ranji flüsterte: "Der Alte sitzt im Gebüsch und beobachtet alles. Ich habe seine Augen gesehen, als sie das letzte Mal kam."

Aber der Alte ließ sich nicht sehen. Später berichtete der Fährtensucher, dass er uns am Rand des Dschungels entlang etwa 60 Meter hinter uns bis in die unmittelbare Nähe des Hauses gefolgt war.