Kim Wolhuter ist im Krüger Nationalpark in Südafrika aufgewachsen, wo schon sein Vater und Großvater Ranger waren. In Vorbereitung auf eine berufliche Karriere im Naturschutz hat Kim Grasland-Wissenschaften studiert, macht aber seit 1988 Dokumentarfilme über das Leben von Hyänen, Schakalen und Leoparden. In seinem Film 'Stalking Leopards' erzählt er die Geschichte von Tjololo, einem männlichen Leoparden, den er im südafrikanischen Mala Mala Game Reserve zum größten Teil nachts gefilmt hat. Kim ist ein passionierter Fotograf und Filmemacher und im Moment in ein neues Film-Projekt vertieft, für das er wieder nachts in Mala Mala unterwegs ist.Im Juni 2002 hat National Geographic ein Interview mit ihm geführt, von dem ein Auszug hier vorgestellt wird, den Kim selbst ergänzt hat. |
In Ihrem Film Stalking Leopards haben Sie sich auf ein bestimmtes Tier konzentriert um seine Geschichte zu erzählen. Warum?Früher habe ich mich auf generelles Verhalten von Tieren konzentriert, aber dann habe ich begonnen Tjololo, einem großen männlichen Leoparden in Mala Mala zu folgen, und habe ihn 18 Monate lang gefilmt. Erst wenn man einmal so viel Zeit mit einem Tier verbringt, versteht man es wirklich, wie es vorgeht und wie es lebt. Das war erstaunlich, dass ich mich Tjololo so nähern konnte. Leoparden leben einzeln und im Verborgenen und sind sehr aggressiv um alleine gelassen zu werden. Es war eine große Herausforderung, ihm nahe zu kommen, und es war wirklich eine Ehre von ihm überhaupt akzeptiert zu werden.Um die Aufnahme machen zu können, die [im Oktober 2001] auf dem Titelblatt von National Geographic erschien, saß ich vor ihm auf dem Boden und blieb so sitzen, als er auf mich zukam. Das beschreibt, wie er mich in seiner Welt zugelassen hat. Er war nicht im geringsten an mir interessiert. Von 30 m Entfernung aus kam er auf mich zu, bis er sich auf halbe Distanz genähert hat und ging dann an mir vorbei. In der ganzen Zeit hat er mich nicht einmal angeschaut. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass ich in dieser unglaublichen Position war, in der ich diesem Leoparden nichts bedeutete. Ich hätte ein Felsen oder ein Baum sein können. Ich war in diesem neutralen Bereich. Weder Beutegreifer noch Beute. So von diesem unglaublich aggressiven und scheuen Tier akzeptiert zu werden, bedeutete, dass alles, was ich dokumentiert habe, natürliches Verhalten war. Er machte, was er machen wollte, ging, wohin er wollte, ohne mich zu sehen. |
Was haben Sie durch Ihren Dokumentarfilm zum Wissen über Leoparden beigetragen?Bislang wurden Leoparden als bedroht angesehen, weil sie so im Verborgenen leben, dass wir sie nicht oft sehen und auch nicht viel über sie wissen. Jetzt haben wir herausgefunden, dass sie nicht bedroht sind, aber es sehr gut verstehen, außer Sicht zu bleiben und sich von Menschen fernzuhalten. Sie sind natürlich immer noch eine bedrohte Art, aber das liegt daran, dass die Menschen in ihren Lebensraum eindringen. Sie sind bedroht, weil sie ihr Habitat verlieren. Mein Dokumentarfilm bestätigt das.Der Film zeigt auch Verhalten, das zuvor nicht beobachtet wurde, im besonderen die Rivalität zwischen Leoparden und Hyänen. Es gibt eine ständige Konkurrenz zwischen Leoparden und Hyänen. Hyänen stehlen Beute von Leoparden, und kleinere Leoparden können sich nicht gegen sie wehren. Mit Tjololo haben wir nicht nur einen Leoparden gesehen, der sich behauptet, sondern einen, der auch neben einer Hyäne von demselben Kadaver frisst. Wir haben auch etwas anderes bei Tjololo beobachtet, das vorher noch nicht gesehen worden ist, nämlich dass er zweimal kurz hintereinander Beute gerissen hat. Die erste hat er den Hyänen überlassen, sodass er noch ein Beutetier reißen konnte, dieses Mal für sich selbst. Er hat also gelernt, wie er Beute für sich behalten kann. |
Sie sagen, dass der Leopard Sie nicht gesehen hat, aber gab es denn kein Zeichen irgendeiner Beziehung zwischen Ihnen und dem Tier?Ich denke nicht – aber dann haben wir ein paar Mal etwas interessantes erlebt. Das ist passiert, als wir mit ihm geruht haben. | |
Foto von Tjololo mit freundlicher Genehmigung von Kim Wolhuter |
Er hat auf dem Boden geschlafen, und wir haben in unseren Fahrzeugen in seiner Nähe ein Nickerchen gemacht. Er ist so leise aufgestanden, dass wir nicht gemerkt haben, als er sich entfernt hat. Als er etwa 50 m weit weg war, fing er an zu rufen. Ich weiß nicht, ob dieses Rufen natürliches Verhalten ist oder nicht. Wie auch immer, wenn ich Tjololo eine Weile nicht gesehen und ihn dann wieder getroffen habe, hat er nie ein Zeichen des Wiedererkennens von sich gegeben. Wenn ich aus dem Auto gestiegen bin, hat er sich so verhalten, als wäre ich nicht da. Aber wenn jemand mit mir aus dem Auto gestiegen ist, hat er das gleich erkannt und ist weggelaufen. |
Was hat Sie veranlasst in nächster Nähe eines großen, aggressiven, wilden Leoparden aus dem Auto auszusteigen? Woher haben Sie den Mut dazu?Es hat lange gedauert, dahin zu kommen. Langsam, je mehr er sich an meine Anwesenheit gewöhnt hat, habe ich mich aus dem Auto gewagt, wenn er etwas weiter entfernt war. Mit der Zeit wurde die Distanz zwischen uns wesentlich geringer. Einmal bin ich ihm so nahe gekommen, dass er auf mich gepisst hat, während er sein Territorium markiert hat. |
Der Leopard hat auf Sie uriniert, und Sie hatten kein plötzliches Verlangen selbst in die Hosen zu machen?Nein. Ich habe über lange Zeit ein Verständnis über Leoparden entwickelt. Einmal wurde ich von einem Leoparden angegriffen, das weibliche Tier im Film. Aber ich habe gesehen, wie Hyänen angesichts des Angriffs eines Leoparden standhalten. Sie bleiben zuversichtlich stehen, vermeiden aber Augenkontakt. Ich habe entdeckt, dass Augenkontakt von großer Bedeutung und ein Zeichen von Aggression in der Tierwelt ist. Du musst versuchen den Augenkontakt mit einem Leoparden zu vermeiden, nicht nur weil er denkt du bist aggressiv, sondern auch weil er eventuell die Angst in deinen Augen wahrnimmt. Man muss Leoparden aus den Augenwinkeln beobachten und auf die kleinsten Anzeichen von Ärger achten. Wenn ich aus meinem Auto steige, bin ich äußerst aufmerksam und suche nach ersten kleinen Anzeichen, ob etwas nicht stimmt. Das kann man nicht in ein Handbuch aufnehmen, wie man auf Leoparden zugehen sollte. Dafür kriegt man ein Gefühl, das unmöglich in Worte gefasst werden kann. |
Wie geht es den Leoparden jetzt, die Sie gefilmt haben? Suchen Sie je nach ihnen, jetzt da der Dokumentarfilm fertig ist?Das weibliche Tier ist wahrscheinlich tot, sie wurde seit etwa acht Monaten nicht mehr gesehen. Tjololo ist lebendig und wohlauf. Er hat sein Territorium völlig unter Kontrolle. Wenn ich in Mala Mala bin, sehe ich ihn immer noch. Und es ist immer schön ihn zu sehen. Erst vor 2 Nächten habe ich ihn wieder gesehen [Anfang Februar 2003], er hatte ein Impala getötet, musste aber damit auf einen Baum flüchten, da ihm ein paar Hyänen dicht auf den Fersen waren. Er ist nach wie vor so ein Fiffikus!! Wenn ich seine Spuren sehe, strenge ich mich besonders an ihn zu suchen. Er gibt immer noch nicht zu erkennen, ob er mich wiedererkennt. |