Herz oder Kopf

Endlich erhalte ich eine lang erwartete Antwort von Peter Klose; er schreibt: "Wir sind uns nicht einig, ob wir das Tier nach Jungle Cat World Wildlife Park bringen sollen oder nicht. Pat von der International Society for Endangered Cats Canada fasst das im Grunde zusammen: "P. p. fuscus ist ein Indischer Leopard, und sie sind überhaupt nicht bedroht. … Das ist eine der Situationen, wo man sich für Herz oder Kopf entscheiden muss – einem Waisentier ein Zuhause geben oder den Platz für ein Tier nutzen, das mehr bedroht ist."
Bhagya's neue Reisszähne kommen durch

Eigentlich will Bhagya sich gerade im neu-gepflanzten Kohl räkeln. Aber dann kommt die kleine Kali von hinten auf uns zu, so dass ich sie nicht sehen kann. Bhagya springt blitzartig, Kali jault kurz auf, aber da hält Bhagya sie auch schon an der Kehle fest. Kali liegt auf dem Rücken und zuckt. Bhagya versucht sie wegzuschleifen. Ich versuche Bhagya davon abzuhalten. Aber er lässt sie nicht los. Kali bewegt sich nicht, blinzelt nicht mal mehr mit den Augen. Ob sie schon tot ist?

Für einen kurzen Augenblick nur lässt Bhagya etwas locker. Und Kali springt kreischend davon. Bhagya ist verblüfft und so geschafft, dass er nach Hause taumelt und den ganzen Nachmittag schläft.

Der 3 cm lange Riss in Kali's Kehle wird genäht und andere Krallenspuren in ihrem Fell mit Jodtinktur behandelt. Sie erhält Antibiotikum und frisst einen grossen Kloss Hackfleisch. Schon am nächsten Tag ist sie wieder putzmunter. Nur ihr Bellen klingt seitdem heiser.

Im Farm-Gelände haben unsere Arbeiter einen Baum für einen neuen Pflug gefällt; unterhalb der Stelle ist das Dickicht niedergetreten. Trotzdem folgt Bhagya mir nur sehr zaghaft durch das Gestrüpp. Auf dem Weg ausserhalb des Geländes treiben lärmend Hirtenjungen ihre Ziegen und Rinder vorbei. Einer der Jungen hat mich entdeckt, aber ich ducke mich schnell. Neugierig kommt er zum Zaun und ruft seinem Freund zu: "Da ist jemand!" Aber sein Freund lacht ihn aus: "Was hast Du da bloss gesehen? Das war wohl ein Tiger. Hahaha, ein Tiger im Gebüsch.", und geht weiter.
Bhagya versteckt sich Bhagya hockt ganz ruhig neben mir und schaut gespannt in die Richtung des Jungen. Als er sich kurz auf die Hinterbeine stellt um besser spähen zu können, sieht der Junge ihn und ruft seinem Freund zu: "Da ist ein Leopard." Aber sein Freund lacht ihn immer noch aus: "Hahaha, ein Tiger im Gebüsch."

Reglos bleiben wir sitzen, bis der Junge seinem Freund folgt. Dann kriechen wir aus unserer Deckung hervor und schleichen zu den Reisfeldern. Der Junge kommt zurück, sieht uns und ruft aufgeregt seinem Freund zu: "Da ist der Leopard. Schau da! Da, da!"

"Komm schnell ! Komm schnell !" flüstere ich Bhagya zu, und er rennt geduckt hinter mir her. Ein paar Mal dreht er sich noch um und stürzt mit mir ins nächste Gebüsch davon.
Über das Artenschutzzentrum des deutschen Naturschutzbundes erreicht mein Hilfegesuch auch TierArt e.V.; der Verein baut gerade in der Pfalz ein Tier-und Artenschutz-Zentrum auf. Die Vorsitzende des Vereins Heike Finke schreibt: “Bei TIERART würden wir Bhagya Platz einräumen. Wir würden uns freuen, ihn nehmen zu können. Unsere Vermittlungsversuche haben nichts ergeben. TIERART macht Dampf, aber wie schnell wir sind, können wir noch nicht absehen: Der Bebauungsplan ist als Satzung vom Gemeinderat beschlossen. Nun muß die Kreisverwaltung den Bauantrag entscheiden. Auskunft war: mindestens 2 Monate Dauer. Nun und dann noch die Bauzeit. Wie lange können Sie Bhagya beherbergen? … Es tut mir so leid, daß wir noch nicht ganz so weit sind. Aber es geht voran bei uns!”

Auch Peter Kloses Email vom 8. Dezember scheint ein Durchbruch zu bedeuten: “Ich habe gerade grünes Licht erhalten, den Leoparden nach Jungle Cat World Wildlife Park zu bringen. Es gab viele Debatten über diese Sache … obwohl es richtig ist, das zu tun, das Tier ist weit im Freiland verbreitet … So, jetzt müssen wir das Geld für den Transport des Tieres sammeln, da wir (besonders im Winter) keine Reserven für solche Projekte haben.”   Er meldet sich jedoch nie wieder.

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